Governance von Transitionen im Schweizer Bildungssystem. Studie zur Steuerung der Übergänge Primarstufe-Sekundarstufe I und Sekundarstufe I-Sekundarstufe II (GovTrans)
Dr. phil. des. Sandra Hafner | Prof. Dr. Regula Julia Leemann | Dr. phil. des Raffaella Simona Esposito | stud. BA Fanny Klaffke | lic. phil. I Andrea Pfeifer Brändli | MA Damaris Wittwer
Projektleitung
Prof. Dr. Regula Julia Leemann
Postdoktorandinnen
Raffaella Simona Esposito, Sandra Hafner
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Studentische Mitarbeiterinnen
Ziel der Studie
Die Studie untersucht aus einer Governance-Perspektive, wie im Schweizer Bildungsföderalismus die beiden Transitionen Primarstufe-Sekundarstufe I (Transition 1) sowie Sekundarstufe I-Sekundarstufe II (Transition 2) in den Kantonen gesteuert, d.h. reguliert, organisiert, reformiert und legitimiert werden, wie die kantonalen Differenzen in dieser Governance erklärt werden können, welche inner- und interkantonalen Spannungsfelder dabei entstehen und wie diese von den steuerungsrelevanten Akteuren bearbeitet werden.
Ausgangslage
Ausgangspunkt der Studie sind kritische Positionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, welche die kantonalen Quoten der besuchten Bildungswege auf Sekundarstufe I und II mit unterschiedlichen Begründungen kritisieren, u.a. mit der Ungleichheit der Bildungschancen zwischen den Kantonen oder mit Bildungsbarrieren für Kinder aus sozial benachteiligten Milieus, mit der Verhinderung der Integration von schwächeren Schüler/innen in eine berufliche Grundbildung oder mit der Senkung des Leistungsniveaus am Gymnasium in einzelnen Kantonen. Diese Positionen verweisen darauf, dass Bildung in modernen Gesellschaften zu einem wichtigen Kriterium sozialer Ordnung und Reproduktion geworden ist, weshalb wir die Frage nach der Governance dieser beiden Transitionen als bedeutsam erachten.
Fragestellungen
Transitionen werden in der Schweiz bisher in erster Linie aus der Perspektive der individuellen Laufbahn und den dabei zugrundeliegenden Einflussfaktoren untersucht. Grösstenteils unerforscht ist dagegen die institutionelle Perspektive des Bildungsangebots sowie der Verteilungsregeln und -prozesse auf die verschiedenen Bildungsgänge. Die Studie soll diese Forschungslücke schliessen, indem sie (1) die heutigen kantonalen Angebotsstrukturen und Verteilungsregeln, deren Wurzeln und Reformen untersucht und mit Bezug auf politisch-kulturelle und sozial-/wirtschaftsstrukturelle Kontextbedingungen vergleicht; (2) die Zuständigkeiten, Zielsetzungen, Strategien und Rechtfertigungen der steuerungsrelevanten Akteure auf allen politischen Ebenen in den Blick nimmt (institutionelle Architektur); (3) das dynamische Geschehen und die sich darin ergebenden Spannungsfelder und Lösungsversuche bei der Handlungsabstimmung zwischen und innerhalb der verschiedenen Ebenen und Akteursgruppen in der Umsetzung der Transitionen analysiert.
Theoretischer Rahmen
Die Soziologie der Konventionen bietet das theoretische Instrumentarium, um Wurzeln, Trägheit und Wandel der Governance der Transitionen zu analysieren, plurale Rechtfertigungen und Wertigkeiten zu verorten, Kritik und Lösungsversuche von Akteuren zu erfassen sowie die Handlungskoordination und die dabei entstehenden Spannungsfelder zu untersuchen.
Forschungsdesign
Die föderale Struktur bedingt eine Untersuchung der Governance auf der Ebene der Kantone und innerkantonaler Strukturen (Region, Kommune, Schule) sowie einen interkantonalen Vergleich. Dazu werden theoriegeleitet und kontrastiv 9 Kantone mit unterschiedlichem Angebot auf Sekundarstufe I und II ausgewählt (multiple Fallstudie). Sie verlangt aber auch eine Analyse des Umgangs mit den kantonalen Differenzen auf der interkantonalen Ebene (Staatenbund) sowie auf der Ebene des Bundesstaates. Analytisches Ziel der Forschung ist es, eine konventionenbasierte Typologie von auf die Transitionen bezogenen kantonalen Governance-Regimes sowie deren zugrundeliegenden politischen Kulturen zu rekonstruieren. Die Daten werden mittels Interviews mit steuerungsrelevanten Akteuren (politisch-administrative Ebenen, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbände) sowie Dokumentenanalysen (Regularien, Informationen, Beratungen, Berichte) erhoben.
Im Weiteren werden statistische Längsschnittdaten des Bundesamtes für Statistik (BFS) ausgewertet. Damit wird untersucht, inwiefern gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren die unterschiedlichen kantonalen Übertrittsquoten beeinflussen und inwiefern die kantonalen Übertrittsquoten in einem Zusammenhang mit der Chancengleichheit beim Zugang zu den verschiedenen Bildungsgängen stehen.
Bedeutsamkeit des Projektes
Das geplante vierjährige Forschungsprojekt wird erstmals eine theoriebasierte Darstellung und Erklärung der kantonalen Unterschiede in der Governance der beiden Transitionen ermöglichen. Die Resultate generieren relevantes Steuerungswissen, indem spezifische Konstellationen, Handlungsmuster und Spannungsfelder innerhalb und zwischen den Kantonen beschrieben werden können.
Laufzeit
Juli 2020 - Juni 2024
Finanzierung
Schweizerischer Nationalfonds, Pädagogische Hochschule FHNW
Leemann, Regula Julia, Andrea Pfeifer Brändli und Christian Imdorf (2022). Access to Baccalaureate School in Switzerland: Regional Variance of Institutional Conditions and Its Consequences for Educational Inequalities. In: Education Sciences, Jg. 12/3, S. 213.
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Hafner Sandra, Raffaella Simona Esposito und Regula Julia Leemann (2022). Transition to Long-Term Baccalaureate School in Switzerland: Governance, Tensions, and Justifications
Education Sciences, 2022, 12(2), 93.
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